Ist die Holzart des Bodys für den Klang einer Solidbody irrelevant?

Laut Physik: Je mehr ein Body schon im „trockenen“ unplugged Zustand schwingt, desto mehr Energie wandert dort hin und ist für die Pickups praktisch verloren.


Das würde bedeuten, dass das Material des Bodys für den Klang einer Solidbody irrelevant ist, da die PU`s nur die Saitenschwingung verstärken, nicht die des Bodys. Klanghölzer klingen nur bei einer Akustischen also Westerngitarre und bei Solidbody sind sie nur ein optisches Schmankerl.Fazit: Um das Optimum aus einer Solidbody herauszuholen, dürfte der Body also GAR NICHT schwingen.


Aber was ist jetzt mit dem ganzen Voodoo Gedöns? Alles falsch, rein erfunden oder am Ende nur preistreibendes Gelaber der Verkäufer?


Ok. Die vorangestellten Aussagen sind so nicht richtig, aber auch nicht wirklich falsch. Natürlich verliert die Schwingung an Schwingungsenergie bei der Übertragung in ein Material wie Holz. Aber dies ist nicht ein linearer Verlust im Sinne von “Weniger”, sondern eine Veränderung der Schwingungsenergie. Und genau diese Veränderung ist das, was viele als den Charakter einer Gitarre, und somit eines bestimmtes Holz des Bodys bezeichnen. Natürlich klingen Gitarren aus Metall oder aus Stein oder sogar korpuslose Gitarren irgendwie auch, aber nicht immer ist die volle Schwingungsenergie eben das, was wir als “Sound” hören wollen und was unser Klangempfinden geprägt hat. Und ganz wichtig: Dass die Pickups die Saitenschwingungen abnehmen, ist unstrittig. Aber diese Schwingungen werden durch den Verlust der Energie, aber auch durch eine Art Wechselwirkung mit dem Baumaterial geprägt. Und da gibt Holz eben auch, je nach Art und Beschaffenheit, ganz schön viel zurück. Genau so wie über die Kontaktübergabe-Stellen wie Steg, Bünde etc. Auch diese Teile der Gitarre tragen zum gesamten Klang der Gitarre bei.


Jedes noch so nebensächliche Schräubchen nimmt direkt oder indirekt Einfluss auf den Klang einer Gitarre. Wenn Du Deine Gitarre spielst, schwingt immer das gesamte Instrument, und daraus ergeben sich Wechselwirkungen, die der Gesamtkonstruktion ihre Relevanz verleihen. Das gehört auch zur Physik der E-Gitarre. Sie ist ein hochkomplexes emergentes System, das nicht ohne weiteres nur reduktionistisch betrachtet werden kann, weil dabei der Blick aufs Gesamtbild verloren geht.


1. Man kann eine Saite nie isoliert betrachten. Ihre Schwingungsentfaltung wird immer in Wechselwirkung stehen zu den Materialien, auf denen sie aufgespannt ist. Schon rein schwingungsphysikalisch schwingt zwangsläufig immer das gesamte System, und jeder seiner Bestandteile ist von Bedeutung. Die Saite ist nur die Stelle der Gitarre, an der man die Schwingung am leichtesten abnehmen kann.


2. Dass Hölzer einen maßgeblichen Einfluss auf das Endresultat haben, ergibt sich schlicht schon aus der praktischen Erfahrung. Das kann jeder bestätigen, der einmal an einer Strat ausschließlich den Body ausgetauscht hat. Das sind mitunter Welten. Richtig ist, dass das Holz nicht alleine entscheidend ist. Ob nun Hardware, Konstruktion, Mensur, Pickups oder Holz am meisten ausmachen, darüber kann man streiten. Tatsache ist, dass bei gleichbleibenden sonstigen Eigenschaften die Hölzer einen Unterschied ausmachen. Das merkt man z.B. bei Gitarren einer gleichen Serie, die dennoch alle unterschiedlich klingen. Nicht exorbitant aber immerhin für das geschulte Gehör heraus hörbar.


3. Nicht-Holz-Gitarren sind gerade deshalb kein großer Erfolg geworden, WEIL sie anders klingen als Gitarren aus Holz. Denn wenn eine Gitarre aus Kohlefaser über den Amp anders klingt als eine aus Erle, folgt daraus, dass Hölzer mit vielleicht nicht so extremen, aber doch unbestreitbar unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften wie Esche und Pappel, ebenfalls unterschiedliche Klänge zur Folge haben müssen.Richtig ist, dass alle Hölzer als Naturprodukt gewisse Bandbreiten von Eigenschaften haben, die sich teils überschneiden. Ein weicher, leichter Eschebody kann durchaus sehr ähnlich klingen wie etwas schwerere, harte Erle. Die Sorten geben aber durchaus eine Orientierung, sodass der, der einen knallharten Tele-Klang sucht, sicher gut beraten ist, erstmal Esche-Teles mit One-Piece-Maplenecks anzutesten. Und jeder notorische Pickup-Tauscher, wie früher oder später jeder mal von uns, kann bestätigen, dass es Eigenschaften an einer Gitarre gibt, die man mit keinem Pickup der Welt erzeugen bzw. verschwinden lassen kann.


4. Wenn es DIE ÜBERKLAMPFE tatsächlich gäbe, würden wir mit Sicherheit nicht alle so unterschiedliche Gitarren bevorzugen. Nach so einer Gitarre bzw. Konstruktion zu suchen ist etwa so als wollte man die “beste” Musikrichtung küren. Ah ja, Geschmacksache…


Ok. Hat’s nun jeder Verstanden? Nein? – Dann nochmal ein letzter Versuch das Thema aus der Welt zu schaffen…Es gibt eine Stratocaster von Fender aus Wellpappe. Die klingt auch – irgendwie. Genau wie Gitarren aus Stein, aus Carbon oder aus Metall etc. Ich glaube, wir sind an den eher, physikalisch gesehen, „unperfekten“ Klang einer Gitarre gewöhnt. Dieser Klang entsteht, wenn unterschiedliche Materialien wie z.B. Metall und Holz schwingen und sich gegenseitig beeinflussen. Es entstehen hierbei Kammfiltereffekte und ähnliches, was den Charakter eines Instrumentes prägt. Die Aussage, dass das Korpusholz den Klang einer Solidbody nicht prägt, ist somit falsch.


Allerdings fürs Shreddern, Braten und Quintensuppe regelt man am besten alles per Pickups, Elektrik und Hi-Gain Amp. Laut muss es sein! Das Holz der Gitarre ist ist hier sicherlich unbedeutend.


Für glasklaren Clean-Sound, so wie ihn uns viele Nashville Größen vormachen, oder wie jetzt wahrscheinlich viele von euch den PINK FLOYD oder MARK KNOPFLER Sound im Ohr haben, braucht es schon eine ausgesuchte bzw. eine individuell aufgebaute Gitarre um genau diesen Ton zu erzeugen…


Aber – und das ist bei vielen Gitarristen komischerweise erst am Ende deren Liste zu finden – auch die Fähigkeit das Instrument überhaupt so spielen zu können!

Euer Mario